Was bedeutet eigentlich: sich in Schale werfen?
In unserer Serie „Sprichwörtlich“ decken wir heute auf, was hinter dieser Redewendung steckt.
Sie können natürlich beides tun und erreichen damit dasselbe: Indem Sie sich in Schale werfen – oder eben auch schmeißen – machen Sie sich besonders chic. Für einen runden Geburtstag, ein Jubiläum oder ein Rendezvous. Aber warum äußern wir uns nicht konkret und sagen: „Ich werfe mich jetzt in den Anzug oder ins Kostüm?“ Wobei sich wortwörtlich genommen natürlich niemand in ein Kleidungsstück „werfen“ würde – oder doch?
Für die kraftvolle Redewendung gibt es zwei Erklärungen. Die erste: Die Schale ist der äußere Teil zum Beispiel eines Apfels. Sie umhüllt den Kern. So ähnlich wird der Mensch betrachtet: Das, was wir tragen, ist äußerlich erkennbar; unser Inneres aber halten wir verschlossen und geschützt. Wenn wir uns also in Schale werfen, dann bekommen Andere lediglich unser Äußeres zu Gesicht, nicht aber unsere Seele.
Der Geheimsprache auf der Spur
Diese Interpretation ist auf den ersten Blick nachvollziehbar – sie erklärt aber noch nicht, warum wir uns ausgerechnet in Schale werfen und nicht hineinbegeben. Um dies zu erläutern, hilft uns ein zweiter Blick auf den Wortursprung. Und der hat mit einer Geheimsprache des Spätmittelalters zu tun.
In jener Zeit entsteht das so genannte „Rotwelsch“. Ein Jargon, der Worte aus dem Deutschen, Jiddischen und Hebräischen miteinander vermischt und deren Bedeutungen verdreht. „Moos“ zum Beispiel als Bezeichnung für Geld stammt aus dem Rotwelsch, oder „Bulle“ als Synonym für Polizist. Zunächst wurde der Jargon von Söldnern, Landstreichern und Hausierern gesprochen; im 19. Jahrhundert machten Räuberbanden Rotwelsch zu ihrer Geheimsprache.
Um den Bogen zurück zu unserem Sprichwort zu schlagen: Der Begriff „Kluft“, der früher für Gewand oder Anzug verwendet wurde, leitet sich aus dem hebräischen Wort „qellippa“ ab. Und das heißt übersetzt „Schale“ oder „Rinde“.
Wenn im 19. Jahrhundert jemand auf Rotwelsch also sagte, dass er sich „in Schale wirft“, hieß das einfach, dass er einen Anzug anzieht. Und dass er dafür keine Zeit verstreichen und sich gleich hineinwerfen würde, kann man als Ironie verstehen: Die wenigsten Männer und Frauen, die die Geheimsprache Rotwelsch sprachen, besaßen so ein feudales Kleidungsstück.